Interview mit Muhammad Radwan über die ägyptische Startup-Szene

Von Anna Holz

 

Anna: Was ist icecairo?

Muhammad: icecairo war ein GreenTech Innovation Hub, der momentan von uns nicht mehr aktiv betrieben wird, weil wir Gründer inzwischen andere Projekte verfolgen. ice steht für Innovation, Collaboration und Entrepreneurship. Es ging darum, die ökologischen und sozialen Probleme Kairos kollaborativ und mit nachhaltigen Geschäftsmodellen zu lösen. Dutzende Startups sind aus dem Hub hervorgegangen, wie zum Beispiel Solariz Egypt oder up-fuse. Dabei ist icecairo, zusammen mit icealex (Alexandria, Ägypten) und iceaddis (Addis Abeba, Äthiopien) Teil des AfriLabs-Netzwerks, das nach wie vor sehr aktiv ist.

 

Anna: Wie würdest du das ägyptische Startup-Ökosystem beschreiben?

Muhammad: Seit dem arabischen Frühling in 2011 gab es in Ägypten einen regelrechten Startup-Boom. Die Community ist inzwischen sehr groß. Ich schätze, dass es etwa 25 Hubs und Coworking-Spaces in Kairo gibt. Jetzt folgen auch andere ägyptische Städte wie Alexandria, Assiut, Aswan, Mansoura und Minya. Vor zwei Monaten wurde an der Nile University der erste Inkubator für Blockchain-Technologien und künstliche Intelligenz gegründet. Und auf dem 5000 Teilnehmer starken RiseUp Entrepreneurship Summit wurde gerade das erste “Startup Manifesto” Ägypstens ausgerufen. Die Forderungen umfassen z.B. Steuererleichterungen und Bürokratieabbau. Die Szene ist sehr aktiv, auch wenn die wirtschaftliche Lage in den letzten fünf Jahren schwierig war. Es gibt eine hohe Arbeitslosigkeit und die ägyptische Bevölkerung ist sehr jung; ungefähr die Hälfte der Einwohner sind unter 25 Jahre alt.

 

Anna: Was sind die Herausforderungen für ägyptische Startups?

Muhammad: Sie haben mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen wie deutsche Startups. Es gibt zu wenig Venture Capital und zu viel Bürokratie. Seit etwa zwei Jahren werden die ägyptischen Gründer*innen jedoch auch von offizieller Seite unterstützt. Die Regierung begreift jetzt endlich, dass Startups Arbeitsplätze schaffen und Lösungen für drängende soziale und wirtschaftliche Probleme finden. Heute stellt man den Menschen auch nicht mehr das Internet ab, wie das noch 2011 gemacht wurde, um die Proteste unter Kontrolle zu bekommen.

 

Anna: Was ist besonders an der ägyptischen Startup-Szene?

Muhammad: Ich denke, die Motive der Gründer sind andere. Jeder Gründer will Geld verdienen, aber in Ägypten geht es auch darum, echte Probleme zu lösen. Der Verkehr in Ägypten ist ein Desaster, genauso wie die Stromversorgung. Mehrmals im Jahr gibt es Stromausfälle. Das führt dazu, dass sich viele Startups mit Verkehr oder Energieversorgung beschäftigen. Die Startups hier werden einfach viel dringender gebraucht als ein weiteres delivery-Startup in Berlin.

 

Muhammad Radwan, 39, hat 2012 einen der ersten StartupHubs Ägyptens gegründet: icecairo. Er ist ausgebildeter Wirtschaftsingenieur (Texas A&M University), hat über 50 Länder bereist und sich 2011 in der #Jan25-Revolution engagiert. Er lebt in Berlin, wo er Changemaker und Social Startups unterstützt und als Berater für Entrepreneurship und Innovation, z.B. für die TU Berlin, tätig ist. Er war außerdem Mitorganisator der re:publica.

 

 

INSIDE ist das Magazin des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V. (Startup-Verband). Der Startup-Verband ist Repräsentant und Stimme der Startups in Deutschland und engagiert sich für gründerfreundliche Rahmenbedingungen. Im Dialog mit Entscheidungsträgern in der Politik erarbeitet er Vorschläge, die eine Kultur der Selbstständigkeit fördern und die Hürden für Unternehmensgründungen senken. Der Startup-Verband wirbt für innovatives Unternehmertum und trägt die Startup-Mentalität in die Gesellschaft. Als Netzwerk verbindet er Gründer, Startups und deren Freunde miteinander.

Wenn du an einer Mitgliedschaft im Startup-Verband interessiert bist, erfährst du hier etwas über die Vorteile einer Mitgliedschaft und kannst hier die Mitgliedschaft beantragen.