Matthias von Bismarck-Osten (IBB) spricht mit uns über die Chancen einer afrikanischen Gründerzeit und wie afrikanische Startups zu mehr Gleichberechtigung beitragen.
von Anna Holz
Matthias, woher kommt dein Interesse für Afrika?
Ich habe schon als junger Mensch dorthin Reisen unternommen – die Bilder bleiben im Kopf. Später habe ich privat und im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Vereinsvorsitzender von Oxfam Deutschland (2007 bis 2017) die eine oder andere Reise nach Afrika unternommen. Die Natur, die Kultur, die Menschen faszinieren mich. Der Kontinent hat große Chancen – aber eben auch große Probleme. Ich glaube: einer Destabilisierung Afrikas würde die Destabilisierung Europas folgen. Das Wohl und Wehe unserer Kontinente ist viel verkoppelter als wir meinen. Daher sollten wir gemeinsam Chancen wahrnehmen, die sich z.B. aus der divergierenden demographischen Entwicklung ergeben.
Was ist aus deiner Sicht das Besondere an afrikanischen GründerInnen?
Afrika verzeichnet unternehmerische Glanzleistungen! Denken wir nur an M-Pesa und M-Kopa, Bankdienstleistungs- und Energieversorgungsprodukte, die über Mobilfunk angeboten und bezahlt werden. Beide sind genau zugeschnitten auf die Bedürfnisse der breiten Bevölkerung. Das sind Leapfrogging-Beispiele, mit denen Wirtschaftsgeschichte geschrieben wurde. Es gibt in Afrika hervorragende Unternehmer und Unternehmerinnen, die mit begrenzten Ressourcen großartige Produkte entwickeln. Ein weiteres Beispiel ist A.R.E.D: ein mobiles, mit Solarstrom betriebenes Kiosk, das günstige Handylade- und WiFi-Services anbietet und über eine erstaunliche Kapazität verfügt. Die Betreiber/innen rollen es dahin, wo viele Menschen gerade warten, zum Beispiel an der Haltestelle für den Fernbus. Das Unternehmen leistet nicht nur einen konkreten Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse seiner Kunden, sondern es hilft auch, die Digitalisierung im Land voranzutreiben und schließlich schafft es Jobs – hauptsächlich für Frauen, die diese Kioske i.d.R. betreiben.
Welche Chancen bieten sich Afrika dank der Digitalisierung?
2020 wird die Hälfte der Bevölkerung in Afrika ein Smartphone nutzen – etwa eine halbe Milliarde Menschen. Das bedeutet: immer mehr Frauen und Männer können sich informieren und am politischen und wirtschaftlichen Leben teilhaben. Besonders für die Frauen ist das eine Riesenchance! Sie kommen endlich aus der Rolle der „abhängig Beschäftigten“ ihrer Ehemänner heraus. Bildungsangebote in Verbindung mit der Aussicht auf einen Job sind das beste Mittel, um die hohe Geburtenrate zu senken. Das Internet bringt auch die kleinbäuerliche Landwirtschaft schlagartig in eine bessere Lage: So erleichtert es den Zusammenschluss von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen zu Erzeugergemeinschaften. Es wird zum Beispiel ein „Uber“ für Traktoren und andere landwirtschaftliche Geräte aufgebaut. Das Internet informiert über die Preise auf den Märkten. So werden die Aufkäufer – die Middlemen – überflüssig, die meist einen großen Teil der Marge abgreifen. Aber natürlich entstehen auch in den Städten neue Jobs. Perspektivisch werden neue digitale Technologien irgendwann auch mal Jobs vernichten, z.B. durch den Einsatz von Robotern, aber auf absehbare Zeit entstehen viel mehr neue Jobs als durch sie gefährdet werden.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit ein Land die Digitalisierung für sich nutzen kann?
Start-ups sind keine Wohltäter; sie streben returns auf ihre Investitionen an. Dazu bedarf es einigermaßen stabiler wirtschaftlicher und politischer Verhältnisse im Land der Investition. Es muss dort ein Grundkonsens zwischen Regierung und Bevölkerung vorhanden sein, dass Investitionen gewollt sind und geschützt werden. Eigentumsrechte müssen gegeben und einklagbar sein. In einigen Ländern Ost-West- und Südafrikas sind solche Bedingungen gegeben, womit allerdings – bedauerlicherweise – nicht gesagt ist, dass es sich dabei um mustergültige Demokratien handelt.
Matthias von Bismarck-Osten ist Generalbevollmächtigter der IBB und Aufsichtsratsvorsitzender der IBB-Beteiligungsgesellschaft. Ehrenamtlich engagiert er sich seit vielen Jahren im Bereich der Entwicklungspolitik, wobei ihn speziell der Einsatz neuer Technologien in Afrika umtreibt. Er ist im Beraterkreis von GreenTec-Capital Partners, einer Gesellschaft in Frankfurt, die afrikanische Unternehmer unterstützt.
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