Alex von Frankenberg, Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds, hat über 100 Exits betreut. Er stellt euch die 7 wichtigsten Key-Learnings vor!

 

Der Exit, das heißt der Verkauf der Anteile an einem Unternehmen, ist letztlich das Ziel eines jeden Investors, der seinen eigenen Investoren eine Rückzahlung ihres Investments plus eine Rendite versprochen hat. Er ist einer der elementaren Bausteine des VC Geschäftsmodells. Und er ist auch der Tag der Wahrheit, an dem sich alle Überlegungen, Hoffnungen, aber auch die langjährige Arbeit aller Beteiligten realisiert.

Typischerweise wird ein groß gewordenes Startup an ein anderes Unternehmen verkauft. In dem sogenannten Trade Sale übernimmt der Käufer meist alle oder zumindest die Mehrheit aller Anteile. Manchmal bleiben die Gründer Minderheitsgesellschafter, damit sie hoch motiviert, nach der Übernahme weiter dafür arbeiten, den Wert ihres Unternehmens zu steigern.

Deutlich seltener als der Trade Sale ist ein Secondary, bei dem nicht ein anderes Unternehmen, sondern ein anderer Investor die Anteile eines Alt-Gesellschafters übernimmt – oft zu einem erheblichen Discount auf den fairen Wert.

Sehr außergewöhnlich ist der Börsengang eines Unternehmens. Im Rahmen eines IPO, oder Initial Public Offering, werden Unternehmensanteile der breiten Öffentlichkeit, das heißt Fonds aber auch Privatinvestoren angeboten. Der Exit findet hier nur in dem Maße statt, in dem bestehende Anteile verkauft werden können. Primär ist der IPO eine Kapitalerhöhung für das Unternehmen, um das weitere Wachstum zu finanzieren.

Sehr außergewöhnlich ist der Verkauf der Anteile einzelner Gesellschafter an das investierte Unternehmen selber oder die Gründer. Typischerweise geschieht dies, wenn praktisch keine Perspektive für einen profitablen Exit mehr besteht. Die Gesellschafter wollen sich von einem Unternehmen, das keine sinnvolle Perspektive mehr hat – oft auch Living Dead genannt – anständig verabschieden.

 

Was haben wir gelernt?

 

1. Es dauert (fast immer) rund neun Monate, um ein Unternehmen zu verkaufen

Wenn die Gesellschafter eines Unternehmens beschließen, oder manchmal sich auch durchringen, ein Unternehmen zu verkaufen, vergehen bis zur Unterschrift beim Notar typischerweise neun Monate. Unser schnellster Exit, im zweistelligen Millionenbereich, war nach drei Wochen abgeschlossen, der längste zog sich über mehr als zwei Jahre hin. Warum dauert es so lange?

Das Universum von möglichen Käufern ist völlig unübersichtlich. Unternehmen aus verschiedensten Industrien über den Globus verteilt können als Käufer in Frage kommen. Eine systematische Recherche möglicher Käufer, die Erstellung einer passenden Präsentation über das zu verkaufende Unternehmen und die Ansprache der Käufer dauern rund zwei Monate. Je nach Auslastung und Ferienlage der relevanten Ansprechpartner kann ein Ersttermin noch mal so lange dauern. Wenn es im ersten Austausch „klickt“, das heißt der potentielle Käufer einen erheblichen Nutzen aus einer Übernahme erkennen kann, hängt es von den internen Entscheidungs- und vor allem Budgetierungsprozessen ab, wie schnell ein Käufer zu einer positiven Entscheidung kommen kann. Je größer und komplexer die Organisation eines Käufers ist, desto langwieriger wird ein Entscheidungsprozess. Nicht zu unterschätzen ist der interne Kampf um Ressourcen. Selbst wenn eine positive Entscheidung beim Käufer gefallen ist, kann es immer noch erhebliches internes Störfeuer geben, wenn eine Abteilung behauptet für einen Bruchteil des Kaufpreises das Gleiche liefern zu können.

 

2. Die Gründer kennen (fast immer) den Käufer

Selbst nach vielen Jahren erfolgreicher Entwicklung stecken in jungen Unternehmen noch eine Unzahl von unübersichtlichen Risiken. Verglichen mit einem etablierten Käufer ist die Historie eines Startups sehr kurz, Produkte sind gerade erst gelauncht, mehrjährige Kundenbeziehungen sind selten und das Gründerteam ist manchmal nur halb so alt wie das Management des Käufers. Deshalb: Je besser ein möglicher Käufer ein junges Unternehmen schon kennt, desto eher kann er die vielfältigen Risiken einer Übernahme einschätzen und ist damit überhaupt bereit eine Übernahme in Betracht zu ziehen. Das bedeutet typischerweise kommen Käufer aus dem Kreis der Kooperationspartner, Kunden, Lieferanten und natürlich Wettbewerber. Und die kennen die Gründer.

 

3. (Fast immer) gibt es einen fixen und einen variablen Kaufpreis

Klassische Bewertungsmethoden wie die Abzinsung des freien Cash Flows (DCF) funktionieren praktisch nicht bei Startups. Selbst wenn diese profitabel sind, variiert der Cash Flow erheblich mit wenigen Annahmen, so dass sich letztlich jeder Wert hinrechnen lässt. Orientierung geben typischerweise Transaktionen mit vergleichbaren Unternehmen. Entscheidend für die Findung eines Kaufpreises sind allerdings zwei Punkte: Die Verhandlungspower und das Verhandlungsgeschick von Käufer und Verkäufer sowie der Hebel, den das kleine Startup auf das operative Geschäft des Käufers haben kann. Je mutiger, ja unverfrorener der Gründer sein Unternehmen und die Wachstumsperspektiven überzeugend darstellt, desto höher der Kaufpreis. Dabei hängt die Verhandlungsstärke des Gründers von seiner Erfahrung, der Einigkeit im Gesellschafterkreis, aber auch der wirtschaftlichen Position und Alternativen des Unternehmens ab. Bei diesen Themen können die Investoren dem Gründerteam wesentlichen Support geben. Entscheidend für den Kaufpreis ist aber wie groß der Hebel des Startups auf das bestehende Geschäft des Käufers ist. Es kann sich daher sehr lohnen, wenn die Gründer vor der ersten Verhandlung in einer Due Diligence den Käufer so gut verstanden haben, dass sie ihm einen extravaganten Kaufpreis als Schnäppchen vorrechnen können. Das dumme ist, dass der extravagante Kaufpreis oft nur dann gezahlt wird, wenn die damit einhergehenden Hoffnungen auch eintreten. Dies wird regelmäßig in einem erfolgsabhängigen Kaufpreis abgebildet. Auch hier gilt: Je cleverer die Verhandlungspartner agieren, desto vorteilhafter wird die Logik des variablen Kaufpreises sein.

 

4. Die Freundschaft hört (fast immer) beim Geld auf

Selbst wenn sich Investoren und Gründer über viele Jahre sehr gut verstanden und zusammengearbeitet haben, fallen die Interessen beim Unternehmensverkauf massiv auseinander. Der Käufer kauft neben dem Unternehmen natürlich das Gründer- und Management Team. Die Investoren sieht er im Zweifel nie wieder. Ohne den vollen Einsatz des Managements, zumindest in den ersten ein, zwei Jahren nach der Übernahme, besteht ein erhebliches Risiko für den Käufer, dass nicht nur die Synergien mit dem bestehenden operativen Geschäft des Käufers nicht eintreten, sondern auch das übernommene Unternehmen zerfällt. Anders als in den vielen Jahren als die Investoren das Unternehmen finanziert haben, sitzen nun die Gründer am längeren Hebel. Diskussionen um die Anpassung der Erlösverteilung, insbesondere beim Earn-out, aber auch Verlagerung von Kaufpreiskomponenten jenseits der Transaktion in die Gehälter der Gründer sind an der Tagesordnung. An dieser Stelle kann sich ein fairer Umgang miteinander in den vielen schwierigen Phasen des Unternehmensaufbaus mehr als bezahlt machen.

 

5. Anything can happen

Das Faszinierende im Umgang mit Startups, Innovation, Gründern und Venture Capital ist eine Lernkurve, die auch nach vielen Jahren nicht abflacht. Zum Beispiel, es reicht nicht, wenn die Tinte trocken ist. Entscheidend ist, wenn das Geld auf dem Konto eingegangen ist. Vor vielen Jahren versicherte uns ein Käufer mehrfach den Geldeingang innerhalb von wenigen Tagen. Er ging sogar so weit seiner Zusicherung mit der Aussage „Das Herz in meiner Brust soll stehen bleiben, wenn das Geld am kommenden Freitag nicht auf Ihrem Konto ist“ Nachdruck zu verleihen. Das Geld kam nie und er überlebte.  In einem anderen Fall korrigierte ein Käufer beim Notar den Kaufpreis um 40% nach unten. Statt zu unterschreiben strich er den vereinbarten Kaufpreis durch und schrieb den neuen Wert daneben. Immerhin kam die Zahlung auch – wenn gleich acht Monate nach dem vereinbarten Zahlungstermin.

 

6. Das Timing ist immer falsch!

Das Timing ist immer falsch. Entweder zu früh, wenn man später einen besseren Preis hätte erzielen können oder zu spät im umgekehrten Fall. Entscheidend für das richtige Timing sind die wirtschaftliche Großwetterlage, die Fähigkeit und Bereitschaft von etablierten Unternehmen, Startups zu kaufen und die Substanz sowie Perspektiven des Startups. Die Entwicklung von Startups verläuft nicht linear sondern in Stufen. Es gibt mehrere Wachstumsschwellen, mit denen neuer Kapitalbedarf und neue Risiken einhergehen. Es kann durchaus Sinn machen vor einer solchen Wachstumsschwelle das Unternehmen zu verkaufen. Typisches Beispiel ist eine großangelegte Internationalisierung. Wenn über erste Verkäufe im Ausland hinaus lokal eigene Organisationen aufgebaut werden sollen, dafür neues Management und viel Kapital notwendig sind, kann es Sinn machen einen Käufer zu finden, auf dessen Infrastruktur man aufbauen kann. Eine gute Stimmung, Konjunktur- und Börsenentwicklung führt bei dem Management etablierter Unternehmen viel eher zu der Bereitschaft das Wachstum durch Akquisitionen zu beschleunigen. Wenn dann das eigene Unternehmen noch bessere Ergebnisse als erwartet zeigt, sind teure Akquisitionen jenseits der klassischen Bewertungsmultiples viel leichter durchzuführen.

 

7. Der Feind des großen Exits ist der gute kleine Exit

Große Talente werden meist früh erkannt. Das gilt auch für Startups. Neben gewonnenen Kunden und Businessplanwettbewerben sind es auch Käufer, die im Zweifel lieber früh als spät und dann sehr teuer kaufen. Deshalb müssen sich Gründer und Investoren sehr genau und ehrlich fragen, ob dem sehr attraktiven Übernahmeangebot nicht noch ein sehr viel besseres Angebot in ein paar Jahren folgen könnte. Ich behaupte sogar, dass, um ein Milliarden Unternehmen aufzubauen, wahrscheinlich mehrere Angebote im zwei- oder dreistelligen Millionenbereich abgelehnt werden müssen. Hätte Facebook das Übernahmeangebot nach nur zweieinhalb Jahren von Yahoo über eine Milliarde Dollar angenommen, wäre sicher kein heute mit 450 Milliarden Dollar bewertetes börsennotiertes Unternehmen daraus entstanden. Der Mut und die unternehmerische Weitsicht sehr attraktive Angebote abzulehnen, sind die eigentliche Kunst der sehr erfolgreichen Gründer und Investoren.

 

Autor: Dr. Alex von Frankenberg, Geschäftsführer High-Tech Gründerfonds

 

INSIDE ist das Magazin des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V. (Startup-Verband). Der Startup-Verband ist Repräsentant und Stimme der Startups in Deutschland und engagiert sich für gründerfreundliche Rahmenbedingungen. Im Dialog mit Entscheidungsträgern in der Politik erarbeitet er Vorschläge, die eine Kultur der Selbstständigkeit fördern und die Hürden für Unternehmensgründungen senken. Der Startup-Verband wirbt für innovatives Unternehmertum und trägt die Startup-Mentalität in die Gesellschaft. Als Netzwerk verbindet er Gründer, Startups und deren Freunde miteinander. 

 

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