Von Heinz-Paul Bonn
Mit einem Gegenentwurf zur „Industriestrategie“ von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier versucht der BDI diese Woche, der rückwärtsgewandten Perspektive etwas mehr Zukunftsorientierung zu geben. Denn während der zum Diskussionsbeitrag herabgestufte Ministerentwurf vor allem strategisch wichtige deutsche Unternehmen vor der Übernahme durch Konzerne aus den USA und China schützen und in zweiter Linie europäische Champions für den inernationalen Markt pimpen will, fehlen Maßnahmen zur Innovations- und Investitionsförderung im vorgelegten Entwurf praktisch ganz. Aber genau da setzt jetzt die Kritik des BDI ein:
„Eine wirkungsvolle Industriestrategie muss die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Industrie im Fokus haben und darf den gerade für Deutschlands Wirtschaftskraft so wichtigen Bereich des Mittelstands nicht aus dem Auge verlieren“,
betonte BDI-Präsident Dieter Kempf am Montag bei der Übergabe des Papiers.
Und, so möchte man hinzufügen, ebenso wichtig ist die Förderung der Startups. Sie sind der Mittelstand von morgen. Hier Investitionen in Zukunftstechnologien zu erleichtern und Unternehmensplanern die Luft zu lassen, neue Geschäftsmodelle für die anbrechenden Zeiten der Plattform–Ökonomie und Sharing-Society zu erdenken, wäre die wahre Industriepolitik, die breiten Konsens in der Wirtschaft erhalten könnte.
Doch während Startups immer mehr Anteil am Wirtschaftsgeschehen haben, ist ihre Integration in den Wirtschaftsstandort Deutschland ins Stocken geraten. Startups finden leichter Kooperationspartner im Ausland als Kontakt zur mittelständischen Wirtschaft hierzulande. Das belegt eine aktuelle, repräsentative Studie des Hightech-Verbands Bitkom, nach der zwei Drittel der mittelständischen Unternehmen Startups die kalte Schulter zeigen. Rein rechnerisch haben also zwei Millionen Firmen in Deutschland keinen Plan, wie sie ihre Zukunftschancen durch die Zusammenarbeit mit Startups verbessern könnten.
Stattdessen lässt sich der Mittelstand lieber von Gleichgesinnten beraten: Rund ein Drittel der Firmen, die die Zusammenarbeit mit Startups bislang verweigern, bevorzugen Kontakte mit Firmen aus der eigenen Branche, am liebsten sogar aus der eigenen Supply Chain. Damit ist sichergestellt, dass ein „weiter so“ die Zukunftsstrategien bestimmt. Kaum innovativer sind diejenigen, die sich zur Entwicklung einer Innovationsstrategie mit etablierten IT-Unternehmen zusammentun. Wer also in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit seinem ERP-Lieferanten gemacht hat, traut ihm auch zu, über disruptive Ideen brillieren zu können. Das könnte sich aber als ein folgenschwerer Irrtum erweisen.
„Startups sind nicht nur besonders innovationsstark, sie bringen auch frischen Wind in eingefahrene Strukturen und Prozesse. Für etablierte Unternehmen können Startups die entscheidenden Impulse bei der Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle setzen – über alle Branchen hinweg“,
urteilte Bitkom-Präsident Achim Berg bei der Vorlage der Studie.
„Viele Unternehmen tun sich immer noch schwer damit, den digitalen Wandel zu gestalten. Umso wichtiger sind Kooperationen und Partnerschaften zwischen jungen und etablierten Unternehmen, damit deutsche und europäische Unternehmen auf dem Weltmarkt führend bleiben.“
Davon aber ist im Strategiepapier des Bundeswirtschaftsministers kein Wort zu finden. Er zielt auf den Erhalt der Alten. Und auch beim Plan, europäische Champions zu züchten, die es mit Internet-Konzernen wie Amazon oder Alibaba aufnehmen könnten, greift Altmaier auf die alten Tricks der Protektionisten zurück. Dabei lehrt doch gerade die Entstehungsgeschichte von Airbus Industries, dass der politische Wille für die Schaffung eines Weltkonzerns allein nicht ausreicht. Es braucht auch schon einen Markt, ein innovatives Produkt und ein agiles Management. Wer hier Innovationen vorantreibt, verfolgt die einzig richtige Industriestrategie.
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