Kommunikation ist für Startups ein wichtiger Erfolgsfaktor. Denn sie müssen in einem frühen Stadium Investor*innen und Talente überzeugen. Viele Gründer*innen haben das erkannt und bringen sich aktiv in die PR-Arbeit ein. In der Praxis fehlt ihnen manchmal das Wissen darüber, wie Journalist*innen arbeiten, was für sie relevant ist und was alles hinter den Kulissen der Medienarbeit geschieht. Das ist nicht verwerflich, doch stehen sie sich damit selbst im Weg. Hier lest ihr die fünf häufigsten Irrtümer und wie ihr sie vermeidet.
Irrtum 1: PR mache ich nebenbei mit
PR steht nicht für Partys und Reisen. PR ist keine Kennzahlen-getriebene Content-Maschinerie, die nur auf Klickfang und Absatz aus ist. PR versucht nicht, Bullshit in Gold zu verwandeln. PR ist auch keine Raketenwissenschaft. Aber es ist aktive Beziehungspflege. Und das braucht Zeit.
Es mag sein, dass Gründer*innen, die ganz am Anfang stehen, die externe Kommunikation selbst in die Hand nehmen. Und es ist auch sinnvoll, als Gründer*in in die PR-Arbeit involviert zu bleiben, denn diese bestimmt zu großen Teilen die Außen- und Innenwahrnehmung des Unternehmens. Doch Unternehmenskommunikation ist mehr als Journalist*innen bei einer Finanzierungsrunde eine Email zu schreiben und ein Interview zu geben. Und wer das Potenzial einer guten PR-Arbeit ausschöpfen will, sollte einen Profi hinzuziehen.
Irrtum 2: Jede*r kann schreiben, daher kann das ein*e Praktikant*in übernehmen
Menschen mit einem Abitur sollten in der Lage sein, einen fehlerfreien und grammatikalisch korrekten Text zu schreiben. Zu Kommunikationsexpert*innen macht sie das noch nicht. Das ist ebenso Quatsch wie die Annahme, dass jede Person mit einem Hang zu Computern ein*e gute*r Software-Entwickler*in ist oder jede*r Person, die ein Instrument spielt, auch ein Orchester dirigieren kann.
Zu den vielen Feldern, die Kommunikationsverantwortliche in Startups bespielen, zählen klassische Unternehmens-, Fach-, Produkt-, Lifestyle- und CEO-Kommunikation. Hinzu kommen Social-Media-Kanäle, interne und externe Veranstaltungen und teilweise auch Contentmarketing. Gefragt sind gerade zu Beginn Generalist*innen, die sich schnell ein starkes Expertenwissen aneignen. Wenn Gründer*innen eine Kommunikationsabteilung aufbauen wollen, sollten sie daher nicht auf Berufseinsteiger*innen setzen. Die sind zwar günstiger und leichter zu finden, werden der Aufgabe aber kaum gewachsen sein.
Irrtum 3: PR ist wie kostenlose Werbung
“Platzier mal bitte den Artikel.” oder “Mach mal einen Post, der viral geht.” – solche Aussagen hört man von Gründer*innen immer wieder. Dahinter steht der Irrglaube, PR sei nichts weiter als unbezahlte Werbung. Das ist falsch.
Ihr braucht einen Nachrichtenwert. Immer. Ohne Relevanz, ohne Mehrwert für die Leser*innen geht es nicht. Was ist euer Warum? Was unterscheidet euch von anderen Unternehmen oder Produkten? Verfasst kurze Themenangebote: Was ist das Thema? Wer hat dazu was zu sagen? Warum ist das wichtig? Jede Antwort sollte in drei Sätzen überzeugen können.
Übrigens gilt das für eure gesamte Kommunikation, auch für eure eigenen Kanäle. Ihr braucht authentische Inhalte, die ästhetisch ansprechend und nicht zu werblich sind und bestenfalls inspirieren.
Irrtum 4: Berichterstattung muss positiv sein
Journalismus ist keine Hofberichterstattung, sondern der größtmöglichen Objektivität verpflichtet. Stellt euch also darauf ein, dass Journalist*inne auch mal kritische Fragen stellen. Solange sie keine falschen Anschuldigungen veröffentlichen, ist das ihr gutes Recht und fällt unter die Pressefreiheit.
Als Gründer*in ist es daher eure Aufgabe, euch auf Interviews vorzubereiten. Überlegt im Vorfeld, was ihr sagen wollt und wozu ihr euch nicht äußert. Es ist in Ordnung, manche Dinge nicht zu kommentieren und sich nicht an Spekulationen zu beteiligen. Manche Informationen wollt ihr vielleicht auch einfach für euch behalten, weil ihr sie intern noch nicht kommuniziert habt oder es nicht mit Partner*innen oder Investor*innen abgestimmt ist. Journalist*innen akzeptieren das so gut wie immer.
Geht es um Fehler, dann empfiehlt es sich, mit offenen Karten zu spielen. Es ist normal, dass nicht immer alles glatt läuft, Journalist*inne wissen das. Wer Schwächen einräumt, ist glaubwürdiger. Wenn ihr lügt oder Dinge versprecht, die ihr nicht einhalten könnt, ist eine rote Linie überschritten. Und verlorenes Vertrauen ist nur sehr schwer zurückzugewinnen. Es kann Jahre dauern, eine gewisse Reputation im Markt aufzubauen, doch wenn ihr nicht aufrichtig kommuniziert, könnt ihr eure reputation binnen weniger Tage zerstören.
Irrtum 5: PR lässt sich perfekt messen
Was nützt ein Post auf Twitter? Können wir uns den Blog nicht sparen? Was bringt das zwölfte Interview in einem Fachmedium? Und weshalb sollten wir zu Konferenz X und nicht zu Veranstaltung Y? Kurz: Wie macht man Kommunikation messbar?
Der Wunsch von Gründer*innen, PR messbar zu machen, ist verständlich. Kommunikation braucht klare Ziele und muss zum Unternehmenserfolg beitragen – ohne Ziele lässt sich Leistung nicht beurteilen. Doch die meisten Verfahren zur Steuerung und Messung von PR sind Annäherungen. PR lässt sich nicht perfekt in Zahlen abbilden – ähnlich wie sich die Tragfähigkeit und Qualität einer Freundschaft oder Beziehung schlecht auf einer Skala von 1 bis 10 messen lässt.
Der Grund ist offensichtlich: PR wirkt indirekt. Unternehmensberichterstattung in einem Medium ist glaubwürdiger als eine gedruckte Anzeige, weil ein*e Journalist*in dazwischengeschaltet ist. Über die Jahre wurden viele Tools und Kennzahlen erprobt, die Abhilfe schaffen sollen – von Clippinganzahlen über Medienäquivalenzwerte hin zu Views
und Likes. Diese Kennzahlen sind nicht schlecht, denn sie können eine Entwicklung aufzeigen. Habe ich mehr Interviews als im Jahr zuvor? hat sich die Tonalität der Berichterstattung verändert? Das sind wichtige Indikatoren, die Gründer*innen und Presseverantwortliche auswerten sollten.
Doch den Wert von PR allein an quantitativen Größen zu messen hilft nicht. PR-Arbeit ist langfristig. Dazu gehört auch das Verhindern negativer Schlagzeilen. Wie berechnet man das? Mein Appell an Gründer*innen: Verabschiedet euch von dem Versuch, den Wertbeitrag von Unternehmenskommunikation krampfhaft und in aufwendigen Verfahren festzustellen. Er ist zum Scheitern verurteilt.
Lesetipp: Wie kommunizieren Startups
Mehr zum Thema lest ihr in dem Buch “Wie kommunizieren Start-ups?”, erschienen im uvk-Verlag. Lydia Prexl hat Kommunikationsprofis aus ganz Europa zusammengetrommelt und lässt Mitarbeiter*innen der externen und internen Kommunikation, Journalist*innen und viele andere Expert*innen der Startup-Szene zu Wort kommen.