(1) Die Studie ist ein echter Deep Dive in die Startup-Finanzierung in Deutschland. Vielleicht magst du unsere Leser*innen kurz abholen – was war eure Zielsetzung und was sind für dich die Core-Insights?

Die Studie zielt darauf ab, die rechtliche Ausgestaltung sowie die herangezogenen Bewertungsmetriken im Rahmen von Finanzierungsrunden im gesamten Ökosystem transparenter zu machen. Wir haben diese Marktanalyse nun bereits zum dritten Mal durchgeführt und dabei wieder mit der Venture Analytics GmbH und Professor Dr. Dirk Honold von der Technische Hochschule Nürnberg zusammengearbeitet. So möchten wir es den Leser*innen ermöglichen, Rückschlüsse auf Verhandlungsprozesse und die dahinter stehenden Motive zu ziehen.

Insgesamt sehen wir anhand der aktuellen Ergebnisse, dass das aktuelle Umfeld von geopolitischen Unsicherheiten geprägt ist und damit herausfordernder für Günder*innen ist als noch vor einem Jahr. Das zeigt sich insbesondere an steigenden Renditeerwartungen, im Mittel kleineren Finanzierungsrunden und sinkenden Bewertungen im Vergleich zum Vorjahr. Ebenso sank die Verhandlungsbereitschaft der Investoren in Bezug auf Bewertung und Finanzierungsvolumen. 

(2) Ihr zeigt, dass auch auf der Seite der VCs im Bereich Climate-Tech aktuell viel passiert – was sind hier eure zentralen Findings und wie blickst du auf die weitere Entwicklung des Sektors?

Das ist richtig. Zwar stehen Unternehmen aus dem Bereich SaaS/ Softwareentwicklung weiterhin im Fokus der Anleger*innen, doch die Ergebnisse zeigen, dass Investoren mittlerweile ein ähnlich hohes Interesse an Climate-Tech-Lösungen haben. Der schon länger wirkende Trend, den Investitionsschwerpunkt auf nachhaltige Geschäftsmodelle zu legen, wurde durch die mit der Ukrainekrise verbundene Rohstoffknappheit noch einmal beschleunigt. Ich erwarte, dass diese Relevanz durch die zunehmende Dringlichkeit, die Klimakrise zu bewältigen, hoch bleibt und sowohl Venture Capital Firmen als auch Corporate Venture Capital-Einheiten zunehmend in diesen Sektor investieren.

(3) Zum Abschluss würden wir gerne noch einmal einen Schritt zurücktreten: Was lässt sich aus der Studie mit Blick auf die aktuelle Finanzierungslage ableiten – wohin bewegt sich das VC-Ökosystem, wo liegen Herausforderungen, aber auch Chancen?

Was uns im Markt aktuell und wohl auch in den kommenden Monaten fehlt, ist das Kapital ausländischer Investoren. Das brauchen wir, um mehr großvolumige Finanzierungsrunden über 100 Millionen Euro zu stemmen. Insofern ist die aktuelle Finanzierungslage für einen Teil des Marktes und bestimmte kapitalintensive Geschäftsmodelle herausfordernd. Hier wird es in den kommenden Monaten sicher weitere Konsolidierung geben. In Summe zeigt sich der Markt aber sehr robust. Aufgrund der niedrigeren Bewertungen ergeben sich wieder attraktive Einstiegsniveaus, welche die Investoren nutzen werden. Auch wenn in 2023 das Finanzierungsvolumen aus 2021 noch nicht wieder erreicht wird und wir IPOs möglicherweise erst wieder im kommenden Jahr sehen werden, rechne ich deshalb mit einem positiven Trend.   

Die vollständige Studie kann hier heruntergeladen werden.

Über den Autor:

Enrico Reiche, Director Deals, PwC Deutschland
Mit mehr als vierzehn Jahren Erfahrung in der Transaktionsberatung ist Enrico Reiche derzeit Co-Lead des Venture Deals-Teams, Leiter des Raise Programms bei PwC und Co-Lead des CVC Center of Excellence von PwC. Mit seiner langjährigen Transaktionserfahrung und tiefen Expertise in der Bewertung von Start-ups kann er – zusammen mit seinem beruflichen Netzwerk – gleichermaßen für Startups, Investor:innen und etablierte Unternehmen Mehrwert schaffen.