Der IPO-Prozess ist ein sehr komplexer und technischer Vorgang. Die zahlreichen beteiligten Parteien müssen die jeweiligen Workstreams koordinieren, Verantwortlichkeiten festlegen und einen detaillierten Zeitplan erstellen. Die Projektleitung liegt in der Regel bei den federführenden Banken. Bis zu einem erfolgreichen IPO sind mindestens 6 Monate einzuplanen.

Aus rechtlicher Sicht können folgende 10 Schritte zur Vorbereitung eines Börsengangs genannt werden:

Schritt 1: Rechtzeitig ein Beraterteam an Bord holen!

Die Zeitfenster, innerhalb derer ein IPO erfolgreich umgesetzt werden kann, sind in letzter Zeit immer kleiner geworden. Man könnte fast von Schießscharten sprechen. Deshalb ist es von Bedeutung, schon frühzeitig die richtigen Berater – also insbesondere Banken, Wirtschaftsprüfer, ggf. IPO-Berater und Rechtsanwälte – auf dem Weg zum IPO auszuwählen, damit das Unternehmen möglichst rasch und flexibel handlungsfähig ist.

Schritt 2: Engagement Letter

Unmittelbar verbunden mit Schritt 1 ist die Unterzeichnung der verschiedenen Engagement Letter mit den beteiligten Banken und Beratern. Dies klingt banal, aber insbesondere der Engagement Letter mit den Banken bildet die erste Weichenstellung für den IPO. Die Emittenten sollten darauf achten, dass der Aufgabenkatalog der Banken präzise und umfassend beschrieben wird. Darüber hinaus ist Wert darauf zu legen, dass das Bankenteam, das beim Pitch den IPO für die Bank gewonnen hat, auch beim Deal weiterhin an Bord bleibt und nicht durch ein anderes Team ersetzt wird. In bestimmten Fällen können auch schon einige rechtliche Themen des später abzuschließenden Übernahmevertrages im Engagement Letter geregelt werden. Dies hat den Vorteil, dass einige rechtliche Punkte schon frühzeitig adressiert werden, die dann später beim Abschluss des Übernahmevertrages unter Zeitdruck nicht mehr verhandelt werden müssen.

Schritt 3: Die richtige Rechtsform

Es sollte möglichst frühzeitig die Entscheidung getroffen werden, mit welcher Rechtsform der IPO angesteuert werden soll. Das Unternehmen kann zwischen den folgenden deutschen börsenfähigen Rechtsformen wählen:

  • AG: Dies ist die Rechtsform, die ca. 90 % der in Deutschland börsennotierten Unternehmen gewählt haben.
  • KGaA
  • SE als europäische Kapitalgesellschaftsform

Schritt 4: Legal Due Diligence

Es empfiehlt sich, möglichst frühzeitig mit der internen Due Diligence zu beginnen. Dies betrifft nicht nur das Zahlenwerk, das Geschäftsmodell, etwaige Steuerthemen, sondern insbesondere auch die Legal Due Diligence. Solange das Unternehmen noch nicht public, sondern in privaten Händen ist, können etwaige rechtliche Probleme in der Regel noch gelöst werden. Ist der engere IPO-Prozess bereits im Gange (4 bis 6 Monate vor IPO), können Korrekturen im rechtlichen Bereich den IPO-Zeitplan verzögern. Noch schlimmer wäre es, wenn die Themen erst nach dem Going Public auftauchen. In diesem Zeitraum ist in der Regel keine kurzfristige Heilung – wenn überhaupt – möglich.

Schritt 5: Auswahl der richtigen Börse und des passenden Börsensegments

Diese Entscheidung ist rechtzeitig und gemeinsam mit der begleitenden Bank bzw. mit den Beratern zu treffen. Empfehlenswert ist regelmäßig der Gang in den regulierten Markt mit öffentlichem Angebot, was einen von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekt erfordert (hierzu mehr in nächstem Schritt).

Schritt 6: Erstellung des Wertpapierprospekts

Der Wertpapierprospekt ist das Herzstück eines IPOs. Ohne einen von der jeweiligen Aufsichtsbehörde gebilligten Wertpapierprospekt ist es nicht möglich, seine Aktien öffentlich anzubieten oder im regulierten Markt listen zu lassen. Der Wertpapierprospekt dient zum einen dazu, die Haftung gegenüber dem Anleger zu vermeiden, indem über eine Art „Beipackzettel“ (die sog. Risikofaktoren) etwaige Risiken und Gefahren für das Unternehmen oder sein Geschäftsmodell gegenüber dem Anleger offengelegt werden. Der Wertpapierprospekt ist aber auch eine gute Möglichkeit, das Unternehmen professionell in der Öffentlichkeit zu präsentieren sowie die Strategie und die Wettbewerbsstärken des Unternehmens deutlich zu machen. Damit ist der Wertpapierprospekt nicht nur ein notwendiges Zulassungsdokument, sondern neben dem Zweck der Haftungsvermeidung aus meiner Sicht auch ein Marketing-Instrument.

Schritt 7: IPO-Dokumentation

Neben dem bereits erwähnten Wertpapierprospekt sind noch folgende rechtliche Dokumente für einen IPO erforderlich:

  • Übernahmevertrag (Underwriting Agreement) zwischen dem Herausgeber von Wertpapieren (Emittent) und den begleitenden Banken
  • IPO-Kapitalerhöhungsdokumentation (Beschlüsse etc.)
  • Publicity Guidelines (zur Regelung der vor einem IPO sehr sensiblen Kommunikation)
  • Research Guidelines (Richtlinien für die Erstellung und Verbreitung von Research-Reports durch die Banken)
  • Legal Opinions der beteiligten Anwälte zu rechtlichen Themen
  • Disclosure Opinions der beteiligten Anwälte zur Richtigkeit und Vollständigkeit des Wertpapierprospekts
  • Preisfestsetzungsvertrag (Pricing Agreement)

Schritt 9: Investorenansprache

Dies ist der wichtigste Baustein für den Erfolg des IPO und eigentlich kein rechtlicher Schritt. Wie aber schon erwähnt, ist die gesamte Kommunikation vor einem IPO durch die sog. Publicity Guidelines – also ein rechtliches Dokument – gesteuert. Entscheidend ist zunächst, dass alles, was die Gesellschaft gegenüber Investoren kommuniziert, mit den Informationen im Prospekt übereinstimmen muss und nicht davon abweichen darf. Des Weiteren ist vor der Billigung des Wertpapierprospekts darauf zu achten, dass keine Werbung für den Erwerb der Aktien lanciert wird. Jede Art der Kommunikation ist mit den Banken und den Rechtsberatern abzustimmen.

Schritt 10: Seid vorbereitet auf das Being Public!

Angesichts der vielen Themen, die es juristisch vor einem IPO abzuarbeiten gilt, wird häufig unterschätzt, dass die Unternehmen sich auch rechtzeitig fit machen müssen für das Being Public. Bereits ab dem Antrag auf Zulassung der Aktien zur Börse unterliegen die Emittenten dem WpHG, also insb. der Verpflichtung ad-hoc Meldungen bei kursrelevanten Informationen zu veröffentlichen, Directors‘ Dealings zu dokumentieren und das Insiderrecht zu beachten. Besonders wichtig ist beim Being Public die Finanzberichterstattung. Das Unternehmen muss interne und externe Ressourcen dafür vorhalten, rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form über die Finanzen des Unternehmens an den Kapitalmarkt zu berichten.

Das sind die 10 Schritte zum IPO aus rechtlicher Perspektive, speziell für Wachstumsunternehmen, Startups und Gründer. Denkt daran, dass ein IPO ein komplexer Prozess ist, der sorgfältige Planung, Zusammenarbeit mit Experten und die Einhaltung aller relevanten Vorschriften erfordert. Bei Fragen oder Beratungsbedarf könnt Ihr Euch gerne bei mir melden: Andreas.Zanner@cms-hs.com.

Viel Erfolg bei Eurem IPO-Abenteuer!


Dr. Andreas Zanner
Rechtsanwalt | Partner bei CMS Deutschland