Jeder kennt die Erfolgsgeschichten junger Unternehmen wie Microsoft oder Google, die in einer Garage ihre ersten Prototypen programmiert und später einen Weltkonzern aufgebaut haben. Weniger bekannt sind die Förderer und Berater im Hintergrund, die den Erfolgsweg mit begleitet haben, etwa als Business Angels, Berater – oder als Beiratsmitglieder. Sie bringen ihre professionelle Erfahrung ein, sei es im technischen Bereich, bei der Gestaltung der Businesspläne oder bei der Vermarktung der Ideen. Die Tätigkeit in einem Beirat ist sehr spannend, für die Startups wie auch die Beiräte eine Win-Win-Situation.

Erstmal vorweg. Was ist ein Beirat? Und wie unterscheidet er sich von einem Aufsichtsrat?

Ein Beirat und ein Aufsichtsrat sind beides Gremien, die in Unternehmen eingesetzt werden, um die Geschäftsführung zu beraten und zu kontrollieren. Der Aufsichtsrat ist ein gesetzliches Gremium, das in Aktiengesellschaften (AGs) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs) mit mehr als 500 Mitarbeitern zwingend eingerichtet werden muss. Der Beirat ist hingegen ein freiwilliges Gremium, das Unternehmen gründen können, wenn sie dies für sinnvoll erachten. Der Aufsichtsrat ist für die Überwachung der Geschäftsführung, die Kontrolle der Finanzen und die Bestellung der Vorstände zuständig. Der Beirat hingegen konzentriert sich in der Regel auf die strategische Beratung der Geschäftsführung und die Unterstützung bei der Entwicklung neuer Geschäftsfelder.

Warum ist die Arbeit als Beirätin für ein Startup so spannend?

Startups sind noch in der frühen Wachstumsphase und haben in der Regel nicht die ganze Breite an Erfahrung und Expertise, die hilfreich ist, um Erfolg im Markt zu haben. Ich kann als Beirat aufgrund meines Erfahrungsschatzes aus über 20 Jahren in der IT, sei es bei SAP SE, Startups oder jetzt bei Google, und meines Fachwissens, insbesondere im Bereich Produkt Management, Big Data und Cloud, den Gründern als Sparringspartner dienen, um Stärken des Startups zu erkennen, diese gezielt zu fördern und Impulse zu setzen für den Erfolg. Es gibt immer wieder wichtige Entscheidungen zu treffen. Welche Produkte und Märkte sollten priorisiert werden? Was sind Low-hanging-fruits? Wie stellt sich das Startup technologisch auf? Wie kommt man von einem ersten Proof-of-Concept zu einer produktiven Version des Produktes? Wie muss man sich organisatorisch aufstellen, damit das Geschäft skaliert? In welchen Bereichen sollte man als erstes investieren, um dem Wachstum gerecht zu werden? Es ist einfach sehr bereichernd, die Gründer und Gründerinnen bei diesen Entscheidungen zu begleiten. Dank meiner Arbeit als Beirätin bin ich weiterhin mit der Startup-Welt verbunden neben meiner Rolle bei Google und habe die Chance, mit extrem talentierten Gründern und Gründerinnen zusammenzuarbeiten.

Wie wird man Beirätin? Wie sind Sie dazu gekommen?

Nach meiner Erfahrung läuft es in der Regel über aktives Netzwerken, dass Startups und Beiräte zusammenfinden. Bei der SAP SE habe ich damals aus den USA heraus die Baustoffindustrie global verantwortet und in dem Bereich viel mit Partnerfirmen zusammengearbeitet. Als dann ein CEO seine Firma verkaufte und beschloss, ein Startup für eine Speziallösung für die Betonindustrie zu gründen, kam er auf mich zu, ob ich nicht als strategische Beraterin ihm und seinem Mitgründer zur Verfügung stehen könnte. Das musste ich mir dann natürlich erst von der SAP SE genehmigen lassen. So wurde ich Beirätin für ein amerikanisches Software-Startup. Dem folgten dann noch weitere.

Jetzt bin ich Beirätin für das britische Startup Eccobell, das eine technisch niedrigschwellige Cloudlösung für Hotels und Gaststätten in Großbritannien anbietet. Für mich eine ganz neue Industrie und ich lerne daher sehr viel Neues. Hier ist der Kontakt durch ein 6-monatiges Startup-Mentoring-Programm entstanden. Sie haben meine Beratung so sehr geschätzt, dass sie mir die Position als Beirätin angeboten haben.

Also, die beste Möglichkeit, Mitglied eines Beirats bei einem Startup zu werden, ist Netzwerken, um so mit Gründern und Investoren in Kontakt zu kommen. Dies kann auf Branchenveranstaltungen, in sozialen Medien oder über persönliche Beziehungen passieren.

Das Netzwerk FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte) ist ein gutes Beispiel. Ich als FidaR-Mitglied schätze die Kontakte, die ich dort in den letzten 8 Jahren zu Frauen und Männern, die bereits in Aufsichtsräten oder Beiräten sitzen oder Führungspositionen in Unternehmen innehaben, knüpfen konnte und noch knüpfen werde. Auch die Veranstaltungen zu verschiedenen Themen rund um Aufsichtsrat und Beirat sind eine gute Quelle für meine eigene Weiterentwicklung.

Warum ist es wichtig, dass Frauen in Beiräten vertreten sind?

Aufgrund der oftmals unterschiedlichen Erfahrungen und der anderen Perspektiven von Frauen im Vergleich zu Männern können die Diskussionen über wichtige Geschäftsentscheidungen vielfältiger und breiter geführt werden. Soziale und ökologische Themen haben für Frauen oft einen höheren Stellenwert als für Männer, was dazu führen kann, dass Unternehmen verantwortungsbewusster handeln.
Die folgenden Studien belegen die mögliche positive Wirkung auf Unternehmen.

  • Eine Studie der Universität Tübingen von 2023 zeigt, dass bereits eine Frau im Aufsichtsrat die Teilnahmequote bei den Sitzungen erhöht, und unterstützt die These, dass in Gremien, in denen mehr als eine Frau vertreten ist, „andere Perspektiven und Meinungen“, eine „breitere Expertise“ und ein „produktiverer Umgangston“ die Diskussionen beeinflussen. Mehrere Frauen erhöhen sogar die Profitabilität des Unternehmens.
  • Die Ergebnisse einer Studie im Journal of the Knowledge Economy (2022)  zeigen, dass der Anteil von Frauen im Aufsichtsrat bei der Kundenzufriedenheit eine entscheidende Rolle spielt. Allerdings ist ein Frauenanteil von mindestens 25 Prozent nötig, um signifikante Effekte nachweisen zu können.

Ich bin mir sicher, dass mehr Frauen in Beiräten dazu beitragen können, dass Startups erfolgreicher werden. Hier leistet FidaR wichtige politische Arbeit, um die Parität in diesen wichtigen Gremien voranzutreiben.

Warum gibt es nicht mehr Frauen in Beiräten?

Frauen müssen auf dem Weg in den Beirat und im Beirat eine Reihe von Hürden überwinden. Dazu gehören zum einen Geschlechterstereotype. Frauen werden oft als weniger geeignet für Führungspositionen angesehen als Männer. Dies kann dazu führen, dass sie seltener für Beiratspositionen in Betracht gezogen werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Mangel an Vorbildern. Es gibt nicht genug weibliche Vorbilder in leitenden Positionen. Dies kann dazu führen, dass sich Frauen weniger qualifiziert für den Beirat fühlen.

Trotz dieser Hürden gibt es immer mehr aktive und erfolgreiche Beirätinnen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass sich die Dinge langsam ändern. Es ist jedoch noch ein langer Weg, bis Frauen in Beiräten gleichberechtigt vertreten sein werden.

Hier sind einige Tipps für Frauen, die sich als Beirätin bewerben möchten:

  • Nutzen Sie Ihr Netzwerk: Bauen Sie ein Netzwerk zu anderen Frauen in Führungspositionen auf. Diese Frauen können Ihnen Ratschläge und Unterstützung bei der Bewerbung geben.
  • Entwickeln Sie Ihre Fähigkeiten: Investieren Sie in Ihre Aus- und Weiterbildung, um Ihre Fähigkeiten und Erfahrung auszubauen, die für die Beiratsarbeit erforderlich sind.
  • Seien Sie sich Ihrer Stärken bewusst: Machen Sie sich bewusst, was Sie gut können und was Sie zu bieten haben. Dies wird Ihnen helfen, sich optimal zu positionieren.
  • Seien Sie nicht schüchtern: Scheuen Sie sich nicht, sich für einen Beirat ins Spiel zu bringen. Je mehr Sie sich proaktiv Gründern und Gründerinnen vorstellen, desto größer ist Ihre Chance.

Dorothee Andermann
Managerin, Google Cloud
Beirätin, Eccobell

linkedin.com/in/andermann

FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e. V. (www.fidar.de) ist eine überparteiliche, unabhängige, gemeinnützige und überregionale Initiative, die 2006 von Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ins Leben gerufen wurde. FidAR strebt eine nachhaltige Erhöhung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten deutscher Unternehmen und die Verbesserung der Unternehmenskontrolle an. Ziel der Initiative ist die paritätische Besetzung aller Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft. FidAR verfolgt diese Ziele im engen Austausch mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und in Kooperation mit den relevanten Wirtschafts- und Frauenverbänden. FidAR ist ein Netzwerk für Frauen und Männer und hat über 1.400 Mitglieder, die wichtige Positionen in Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlichem Leben einnehmen. Seit über zehn Jahren untersucht FidAR die Entwicklung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und in öffentlichen Unternehmen in den jährlich veröffentlichten Women-on-Board-Indizes. Mehr zum Frauenanteil in Deutschlands Aufsichtsräten und Vorständen unter: www.wob-index.de