Startups sind heutzutage in aller Munde: Mit ihren innovativen Ideen nehmen sie eine immer wichtigere Rolle für unsere Wirtschaft und Gesellschaft ein. Auch die Landespolitik erkennt zunehmend die Bedeutung von Startups für Brandenburg und möchte sie verstärkt fördern. Eine hierfür nötige Datengrundlage liefert die erste IHK-Studie zum Startup-Ökosystem Westbrandenburg, die gemeinsam mit dem Startup Verband erarbeitet wurde. Doch was steckt eigentlich hinter diesem viel genutzten Begriff? Und ist wirklich jede Unternehmensgründung ein Startup?
Existenzgründung vs. Startup – Die Merkmale sind entscheidend
Die Bandbreite an Existenzgründungen ist riesig: Von der Eröffnung eines Cafés oder einer Autowerkstatt bis zum Start einer Software-Agentur ist alles möglich. Startups machen – je nach Definition – aber nur einen kleinen Teil der Existenzgründungen aus. Nach jüngsten Zahlen des Statistischen Landesamtes wurden 2021 im Kammerbezirk der IHK Potsdam 7.572 Unternehmen gegründet. Gemäß der IHK-Studie entsprachen nur 37 dieser Neugründungen der Startup-Definition – sprich weniger als 0,5 %. Es handelt sich hierbei größtenteils um technologiebasierte, junge Unternehmen, die ein innovatives Produkt hervorbringen, das in dieser Form auf dem Markt noch nicht existiert. Zur Nutzung ihres hohen Wachstumspotenzials sind Startups oft auf Geldgeber angewiesen, insbesondere auf Wagniskapital von privaten Investoren oder Beteiligungsgesellschaften. Startups mögen zwar eine kleine Gruppe unter allen Gründungen sein, durch ihre Innovationsstärke und Wachstumsambitionen können sie jedoch eine erhebliche Wirkung mit Blick auf Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze entfalten.
IHK-Bezirk schon gut unterwegs, Potsdam ist bereits Hotspot
Wer an Startups denkt, landet gedanklich schnell bei den deutschen Startup-Metropolen Berlin oder München – Brandenburg stand in diesem Kontext als Standort bisher im Hintergrund. Doch gerade im Westen Brandenburgs hat sich ein eigenständiges Ökosystem mit viel Potenzial entwickelt. Insgesamt 188 Startups wurden im Kammerbezirk der IHK Potsdam ermittelt, hinsichtlich der Neugründungen pro 100.000 Erwerbsfähige liegt die Region sogar leicht über dem Bundesdurchschnitt. Über die Hälfte dieser innovativen Unternehmen befinden sich in Potsdam. Die Landeshauptstadt belegt mit 38,4 Neugründungen pro 100.000 Einwohner zwischen 2019 und 2021 im bundesweiten Vergleich sogar den 4. Platz und kann sich somit „Startup-Hotspot“ nennen. Die weiteren Startups des Kammerbezirks verteilen sich hauptsächlich auf das Berliner Umland, während im ländlichen Raum nur wenige angesiedelt sind. Die Konzentration auf den Metropolraum zeigt, wie wichtig für hiesige Startups die Nähe zu Berlin ist (z.B. zur Vernetzung mit anderen Unternehmern oder für die Investorensuche).
Gründerinnen in der Startup-Szene deutlich unterrepräsentiert
Die Startup-Gründung ist Teamsache: Etwa 80% der Gründerinnen und Gründer in Westbrandenburg haben ihr Unternehmen als Team gestartet, das im Durchschnitt aus 2,5 Personen besteht. Hier wird deutlich, dass viele Startup-Gründungen technologisch wie betriebswirtschaftlich anspruchsvoll sind und im Gründungsteam häufig verschiedene Kompetenzen zusammenkommen. Im Hinblick auf die Diversität gibt es jedoch noch erhebliches Verbesserungspotenzial: Der Frauenanteil in den Gründungsteams der Startups im IHK-Bezirk liegt aktuell bei lediglich 16,2%, auch bundesweit sieht es mit einem Gründerinnenanteil von 18% im Deutschen Startup Monitor nicht viel besser aus. Dieser Umstand scheint ein Startup-spezifisches Problem zu sein: Laut KfW Gründungsmonitor lag der Frauenanteil bei allgemeinen Existenzgründungen in Deutschland 2020 bei immerhin 38%. Die Zahlen deuten darauf hin, dass besondere Herausforderungen und Hürden für Frauen mit Blick auf Startup-Gründungen bestehen. Eine zentrale Rolle spielt hier das geringere Zutrauen durch Investoren im Vergleich zu männlichen Teams, weiterer Faktor ist für viele Gründerinnen auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zwar ist die Zahl der Gründerinnen in den letzten Jahren leicht gestiegen, doch für größere Zuwächse müssten die Rahmenbedingungen für Frauen deutlich verbessert werden.
Wissenschaft ist Nährboden für Startups, Potenzial als Hochtechnologie-Standort
Startups bringen in der Regel innovative Produkte und Dienstleistungen hervor. Diese Innovationen basieren häufig auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zuvor in einer Hochschule oder einer Forschungseinrichtung gesammelt wurden. Der Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft funktioniert im Westen Brandenburgs besonders gut: Während deutschlandweit etwa 27% der Startups forschungsnah gründen, stammen im Kammerbezirk sogar 39% aus dem Umfeld einer wissenschaftlichen Einrichtung. Dies ist vor allem auf die hohe Dichte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, insbesondere in Potsdam, sowie deren gut aufgestellte Transfer-Services zurückzuführen. Daher ist auch nicht verwunderlich, dass gerade in Westbrandenburg überdurchschnittlich viele Startup-Gründerinnen und -Gründer einen akademischen Hintergrund in der Informatik oder den Naturwissenschaften haben. Das spiegelt sich unter anderem in den Branchen wider: Die meisten Startups entstehen in den Bereichen Medizin und Software.
Diese Alleinstellungsmerkmale bilden eine gute Grundlage dafür, die Region als führenden Innovations- und Technologiestandort zu etablieren. Hierfür müssten beispielsweise die Transfer-Services weiter ausgebaut und die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft stärker gefördert werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass die vielen guten Forschungsergebnisse und Technologieinnovationen ihren Weg in die wirtschaftliche Verwertung sowie in unsere Gesellschaft finden.
Gute Förderlandschaft, noch zu wenig Wagniskapital
Damit die zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und andere Gründungswillige ihre Geschäftsideen erfolgreich umsetzen können, benötigen sie Start- und Wachstumskapital. 80 % der Startups in Westbrandenburg planen, ihr Wachstum mithilfe externen Kapitals zu finanzieren – daraus ergibt sich in der Region ein geschätzter Kapitalbedarf von etwa 350 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre. Um diesen zu decken, stehen grundsätzlich mehrere Finanzierungsquellen bereit, die in Westbrandenburg unterschiedlich ausgeprägt sind. Während die verschiedenen Förderprogramme des Landes von einem Großteil der Startups genutzt und positiv bewertet werden, herrscht in Hinblick auf Wagnis- bzw. Wachstumskapital noch ein größeres Defizit. Um mehr private und institutionelle Investoren anzulocken, muss sich Brandenburg nach außen stärker als attraktive Gründer- und Technologieregion präsentieren und die Nähe zum Berliner Ökosystem durch mehr Vernetzung strategisch nutzen. Außerdem bietet die neue Förderperiode eine Chance, bestehende Finanzierungsprogramme bürokratisch zu verschlanken und zu optimieren sowie neue Instrumente zur Startup-Förderung zu schaffen. Hierzu hat sich die IHK Potsdam bereits an vielen Stellen beratend eingebracht, wie beispielsweise über den Fachausschuss für Gründung und Nachfolge.
Fazit: Ein Ökosystem mit reichlich Potenzial
Die Startup-Szene in Westbrandenburg hat sich bereits positiv entwickelt, gleichzeitig sind auch Verbesserungspotenziale sichtbar. Als wichtiger Akteur im Ökosystem entwickelt die IHK Potsdam derzeit neue Angebote und Veranstaltungsformate, die den regionalen Startups z.B. bei der Vernetzung mit Mittelstand und Investoren helfen soll. Doch auch die Politik ist gefordert, ihren Beitrag zu einer florierenden Brandenburger Startup-Szene zu leisten. Im ersten Schritt wäre die Entwicklung und Umsetzung einer neuen Landeskampagne sinnvoll, die v.a. innovative Gründerinnen und Gründer sowie Investorennetzwerke in die Region lockt. Des Weiteren würde eine verstärkte Digitalisierung der Verwaltung und ein Bürokratieabbau in Förderprogrammen eine Startup-Gründung und -Finanzierung erleichtern und attraktiver machen.
Zur vollständigen Startup Studie Westbrandenburg geht es hier.