Der deutsche Staat aber auch die EU greifen in den Markt für Wagniskapital ein. Was läuft hier gut und was schlecht? Und wie müsste eine Zusammenarbeit zwischen nationaler und europäischer Ebene aussehen um grenzübergreifende Investitionen zu stärken? Ein Interview mit Philipp Ständer, Research Fellow am Jacques Delors Institut in Berlin, geführt von Paul Wolter.
Paul Wolter: Der Venture Capital Markt in Europa wird häufig mit dem der USA verglichen, mit dem Ergebnis, dass Europa hinterherhinkt. Stimmt dieser Vergleich? Und wo liegen die Schwächen des europäischen Marktes?
Philipp Ständer: Der Unterschied zwischen den USA und Europa ist tatsächlich immer noch groß. Relativ zur Wirtschaftsleistung ist der Venture Capital Markt in den USA etwa 10 Mal größer als der europäische, der israelische ist sogar mehr als 13 Mal so groß. Man muss dabei aber beachten, dass der europäische Markt erst seit rund 20 Jahren existiert und damit noch relativ jung ist.Während dieser Zeit gab es gleich zwei schwere Einbrüche, was auf Investoren abschreckend gewirkt hat. In einigen Ländern, darunter beispielsweise Deutschland und Spanien, gewinnt Venture Capital jetzt wieder an Dynamik, das ist aber leider noch nicht überall so.
Europa hat aber vor allem einen großen Nachteil: Man kann bislang kaum von einem einzigen Markt für Venture Capital sprechen. Startups in Großbritannien, Deutschland und Frankreich beziehen zwischen 66 und 87 Prozent ihrer VC Investitionen aus dem heimischen Markt. In Deutschland und Großbritannien machen Investitionen aus anderen europäischen Ländern nur etwa 20 Prozent aus, in Frankreich sogar nur 10 Prozent. Diese Fragmentierung trägt dazu bei, dass Startups größere Schwierigkeiten haben schnell zu wachsen. Die Finanzierungsrunden in der Scaling-Phase sind in Europa vergleichsweise klein, nicht zuletzt deshalb weil die meisten VC Investoren national orientiert und deshalb weniger finanzstark sind. Nur 10 Prozent der europäischen VC Fonds haben eine Größe von mehr als 250 Millionen US-Dollar, verglichen mit 28 Prozent der US-Fonds. Geringeres Wachstum in der Scaling-Phase führt wiederum zu weniger profitablen Exits und das schreckt am Ende große private Investoren wie Pensionsfonds und Versicherer ab. So bleibt der Markt hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Paul: Öffentlich finanzierte Venture Capital Fonds spielen in Deutschland und Europa eine große Rolle. Schadet das öffentliche Geld mehr als es nutzt?
Philipp: Die Förderung durch öffentliche Akteure wie der deutschen KfW, des Europäischen Investitionsfonds (EIF) oder der französischen Bpifrance machte zwischen 2007 und 2016 18 Prozent der gesamten VC Investitionen aus. Damit sind Regierungsorganisationen die größte Investorengruppe im europäischen Markt. Ob öffentliches Geld zusätzliche private Investoren anzieht ist umstritten. Die Förderbanken berufen sich darauf, dass sie durch ihre Beteiligung ein Vielfaches an privatem Geld mobilisieren. Allerdings kann man nicht mit Sicherheit sagen, ob die Investition nicht auch anders zustande gekommen wäre. Anders ist die Situation während einer Krise, dann ist öffentliches Geld extrem wichtig um den Markt zu stabilisieren. Ohne das beherzte Eingreifen der Förderbanken und des EIF wäre der europäische VC Markt von der Dotcom-Blase und der Finanzkrise 2008/2009 noch wesentlich härter getroffen worden.
Paul: Mit was für Politikinstrumenten greifen Regierungen denn in den Venture Capital Markt ein? Und was für Entwicklungen gab es hier in den letzten Jahren?
Philipp: Die wichtigsten Instrumente, weil finanziell am bedeutsamsten, sind aus meiner Sicht die VC Fonds der öffentlichen Akteure, die deutsche Regierung hat dafür zuletzt EUR 2,5 Milliarden bereitgestellt, sowie steuerliche Anreize für VC Investoren, etwa durch niedrigere Kapitalertragssteuern auf einen Exit oder durch die steuerliche Absetzbarkeit von VC Investitionen.
Die Ausgestaltung der Förderinstrumente zeigt, dass die Förderbanken und der EIF bereits sehr gezielt auf die Schwächen der VC Märkte reagieren: es werden zunehmend Fonds aufgelegt, die nur auf die Scaling-Phase ausgerichtet sind und wesentlich größere Deals abschließen können, als das noch vor einigen Jahren der Fall war. Außerdem versuchen sich öffentliche Akteure von der finalen Investitionsentscheidung zu distanzieren und dies privaten Fondsmanagern zu überlassen, indem sie eher durch Fund-of-Funds Strukturen in andere VC Fonds investieren.
Auch im Bereich Besteuerung sind die europäischen Gesetzgeber sehr aktiv. In Großbritannien und Frankreich gibt es derzeit jeweils sechs verschiedene steuerliche Anreize um VC Investitionen attraktiver zu machen. Dabei hat Großbritannien mit der geringen Kapitalertragssteuer von nur noch 20 Prozent und der Option für Gründer und Shareholder eines Startups diese bei Verkauf bis auf 10 Prozent zu reduzieren, verglichen mit Deutschland und Frankreich das attraktivste System. Der deutsche INVEST-Zuschuss ist ebenfalls interessant. Investoren bekommen statt einer Steuergutschrift einen direkten Zuschuss für eine VC Investition. Für ausländische Investoren hat das den Vorteil, dass sie auch ohne Steueraufkommen von der Förderung profitieren können. Das macht den deutschen Markt international attraktiver.
Paul: Schaffen es die Regierungen und Förderbanken der Fragmentierung im Europäischen Markt wirksam entgegenzuwirken?
Philipp: Es gibt gute Ansätze zum Beispiel von Seiten des Europäischen Investitionsfonds, der mit seinem Pan-European Fund-of-Funds Instrument eine grenzübergreifende Investitionsstrategie des geförderten VC Fonds zur Voraussetzung macht. Diese Instrumente sind aber bislang die Ausnahme. Nationale Förderbanken wollen hingegen in vielen Ländern, dass die Fördermittel auch wieder in den Heimatmarkt investiert werden. Das verstärkt die Abgrenzung zwischen den nationalen VC Märkten.
Es ist daher notwendig die Instrumente auf europäischer und nationaler Ebene stärker zu verzahnen. Denkbar ist beispielsweise ein gemeinsamer Equity Pool in den alle Akteure einzahlen. Wird daraus eine VC Investition getätigt, werden nur die Mittel der jeweiligen Förderbank angetastet. Ein solcher gemeinsamer Account würde die Suche nach lohnenden Investitionen zunehmend europäisieren. Zusätzlich könnte man Anreize für private VC Fonds schaffen sich stärker zu internationalisieren.
Bislang scheitern solche Bemühungen aufgrund des Widerstands einiger nationaler Förderbanken. Sie sehen sich unnötiger Konkurrenz ausgesetzt und wehren sich gegen eine stärkere Präsenz des EIF im heimischen Markt. Der Fokus auf einen nationalen Markt ist aber nicht mehr zeitgemäß, VC Fonds agieren zunehmend global und spezialisieren sich stärker auf bestimmte Sektoren. Mit dieser Entwicklung muss die Förderlandschaft Schritt halten und Synergien nutzen, statt doppelte Strukturen zu schaffen.
Beim Thema Steuern gibt es ebenfalls Handlungsbedarf. Hier hat die europäische Ebene so gut wie keine Handhabe. Das führt dazu, dass Investoren sich in jedem Land neu zurechtfinden müssen. Sie sind vielfach gezwungen eine Niederlassung einzurichten und riskieren doppelte Besteuerung. Um dem zu entgehen halten manche VC Fonds ihre grenzübergreifenden Investitionen künstlich gering.
Die Mitgliedstaaten sollten sich hier ebenfalls zusammentun und ein einheitliches Steuersystem für Venture Capital aufbauen. In einem solchen System gäbe es zwar unterschiedlich hohe Steuern, aber der Investor müsste nur eine Steuererklärung abgeben und bräuchte sich in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht niederlassen, um dort zu investieren.
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