Von Christian Bürger
Deutschland ist unangefochtener Innovationsweltmeister – zu diesem Ergebnis kam eine Analyse des Weltwirtschaftsforums im letzten Quartal des vergangenen Jahres. Die heimlichen Gewinner der Studie sind jedoch andere: Die rasante wirtschaftliche Entwicklung der BRICS-Staaten schmälert sukzessive den Vorsprung Deutschlands als beispiellosen Innovationsstandort. Ökonomen sehen den schnellen Innovationszuwachs der ehemaligen Schwellenländer vor allem in offeneren und moderneren Innovationskulturen innerhalb der Unternehmen begründet. Hierzulande sollen nun innovative und ideenreiche Startups einen Kurswechsel herbeiführen.
Deutschland: Das Land der Erfindungen und Innovationen
Es ist amtlich: Erst vor wenigen Wochen veröffentlichte die Bundesregierung auf Facebook eine Infografik mit dem Titel „Wir sind Erfinderland!“. Demnach meldeten deutsche Unternehmen im Jahr 2018 27.000 Patente an, was Deutschland, gemessen an seinen registrierten Patenten, europaweit zu dem erfindungsreichsten Mitgliedsstaat macht. Bekräftigt wird dieses Ergebnis durch den umfassenden Report des Weltwirtschaftsforums. In dem jährlich erscheinenden und fast 700 Seiten starken „Globalen Wettbewerbsbericht“ vergibt die Stiftung der Bundesrepublik als Entwicklungsstandort 88 von 100 möglichen Punkten und ernennt Deutschland in der Kategorie „Innovationsfähigkeit“ damit zum Erstplatzierten. In ihrem Bericht berücksichtigt die Stiftung neben den angemeldeten Patenten außerdem Gesichtspunkte wie etwa die Entwicklung neuer Ideen bis hin zu ihrer erfolgreichen Markteinführung sowie die Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden mit deutschen Produkten.
Doch wer genau steckt hinter dem unaufhaltsamen Innovationsdrang? Mit dieser Frage hatte sich bereits in der Vergangenheit eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie befasst. Sie stellte fest, dass innerhalb von drei Jahren mehr als die Hälfte aller KMU eine Innovation auf den Markt brachten. Der europäische Durchschnitt lag zu diesem Zeitpunkt bei gerade einmal etwas mehr als einem Drittel. Auch der Bundesverband mittelständischer Wirtschaft untersuchte die typischen Merkmale des Mittelstands und kam zu der Erkenntnis, dass der Mittelstand nicht nur mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze stellt, sondern mit einer Anzahl von 500.000 aktiven Patenten europaweit die meisten Patente innehat.
Fachkräftemangel stellt mittelständische Innovationskulturen vor neue Herausforderungen
Deutsche Unternehmen werden hinsichtlich neuer Innovationen auch in den kommenden Jahren ganz vorne mitspielen. Es wird ihnen allerdings zunehmend schwerer fallen, Innovationen völlig selbständig hervorzubringen. So berichtete das Handelsblatt erst vor wenigen Monaten, dass aktuell nur jeder dritte Mittelständler über Investitionen in Innovationsmaßnahmen nachdenke. Der von den Mittelständlern mit 68 Prozent am häufigsten genannte Grund hierfür sei ein erheblicher Mangel an Experten. Gerade diese seien allerdings unerlässlich, um Innovationsprojekte zu betreuen und neue Entwicklungen auf den Markt zu bringen. Ökonomen sehen dieses Problem des Mittelstands besonders kritisch. Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ Bank, sagte hierzu: „Wenn bei zwei Dritteln der Mittelständler die Fachkräfte fehlen, um Innovationen voranzutreiben, leidet ihre Wettbewerbsfähigkeit“.
In der Befragung gaben weiterhin nur 232 von 800 Mittelständlern an, dass Sie in den nächsten drei Jahren mehr Geld für Forschung und Entwicklung ausgeben möchten, um neue Innovationen hervorzubringen. Im Vergleich: Im Jahr 2017 planten mit 54 Prozent noch mehr als die Hälfte aller großen mittelständischen Unternehmen in den kommenden drei Jahren mehr in Innovationen zu investieren. Der Fachkräftemangel ist jedoch nicht nur ein deutsches Problem. Weltweit haben zahlreiche Volkswirtschaften mit dieser Entwicklung zu kämpfen. Nur haben eben jene Volkswirtschaften das Problem frühzeitig erkannt und mit einem Paradigmenwechsel reagiert. Die ausländischen Unternehmen haben verstanden, dass es einer Neuausrichtung der Innovationskultur bedarf, wenn sie auch künftig wettbewerbsfähig bleiben möchten. Die logische Konsequenz der Unternehmen war, am Beispiel des Open Innovation-Konzepts, ein Bekenntnis für offenere Innovationskulturen, um Forschungs- und Entwicklungskooperationen mit anderen Unternehmen einzugehen. Besonders interessant sind Startups, da sie innovative Ideen in Form von zum Beispiel neuen Technologien bündeln, von denen größere Unternehmen profitieren können. In jedem Fall scheint diese Strategie aufgegangen zu sein: Die Innovationsfähigkeit der BRICS-Staaten befindet sich seit einigen Jahren unaufhaltsam im Aufschwung.
Innovationssackgassen – und wie ausgerechnet Startups diesen vorbeugen
Obwohl sich Wirtschaftswissenschaftler einig sind, dass eine offene Innovationskultur die Wettbewerbsfähigkeit steigert, zeigt sich der Großteil deutscher Unternehmen diesbezüglich noch sehr verhalten. Das merken auch wir als junges Technologieunternehmen der Chemiebranche. So untersuchte im vergangenen Jahr die Branchenzeitung „CHEManager“ in Kooperation mit Camelot Management Consultants die Bereitschaft mittelständischer Chemiemanager, ihren Innovationsprozess nach außen hin zu öffnen, um durch Einbeziehung der Außenwelt eine Vergrößerung des Innovationspotenzials zu erreichen. Zwar gab auch über die Hälfte der Manager an, dass Open Innovation eine hohe Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche habe, allerdings sahen zwei Drittel der Befragten das Risiko des Wissensverlusts als große Hürde für die Umsetzung von Open Innovation. Weiterhin überwiege der Abfluss von Kernkompetenzen und damit einhergehenden Wettbewerbsvorteilen. Neben dem Zweifel am wirtschaftlichen Nutzen wurden außerdem das Mindset der Mitarbeiter und ein Mangel an geeigneten Partnern als Argument gegen eine offene Innovationskultur genannt. Josef Packowski, Managing Partner bei Camelot Management Consultants kritisiert die Haltung deutscher Chemiemanager: „Die chemische Industrie setzt noch überwiegend auf Innovationsprozesse des 20. Jahrhunderts.“
Und auch wenn die Zurückhaltung gegenüber Open Innovation von Branche zu Branche unterschiedlich ausgeprägt ist, so sind nahezu branchenübergreifend verstaubte Unternehmenskulturen, die eine moderne und nachhaltige Innovationskultur erschweren, zu finden. Wirtschaftsexperten sehen daher nun ausgerechnet in Startups eine große Hoffnung, bedeutende Innovationen hervorzubringen und die Innovationsfähigkeit Deutschlands aufrechtzuerhalten. In Deutschland ziehen immer mehr technologiebegeisterte Startups die Aufmerksamkeit ausländischer Investoren auf sich. Mittlerweile erkennen auch immer mehr deutsche Mittelständler, vor allem junge und digitalaffine Entscheidungsträger, wie wichtig die Zusammenarbeit mit Startups ist. Heinz-Paul Bonn, Mitglied des Vorstands des BDI/BDA-Mittelstandsausschusses, sieht in einer Kooperation einen großen Mehrwert für den Mittelstand: „Startups sind der Nährboden, aus dem sich der Mittelstand von morgen und die globalen Konzerne von übermorgen erheben.“ Während bei vielen großen Unternehmen die Einführung neuer Ideen zu einem zeitaufwendigen Kraftakt werde, können junge Unternehmen dank flacher Hierarchien neue Impulse schnell umsetzen. Sowohl der Mittelstand als auch Startups profitieren von dem gemeinsamen Wissens- und Kompetenzaustausch.
Über den Autor
Christian Bürger ist Geschäftsführer der chembid GmbH. www.chembid.com ist die weltweit größte Metasuchmaschine für Chemikalien und Kunststoffe. Mithilfe der Plattform finden gewerbliche Einkäufer und Anbieter von Chemikalien und Kunststoffen binnen weniger Mausklicks online zueinander, um Geschäfte einfach, schnell und effizient abzuschließen.
INSIDE ist das Magazin des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V. (Startup-Verband). Der Startup-Verband ist Repräsentant und Stimme der Startups in Deutschland und engagiert sich für gründerfreundliche Rahmenbedingungen. Im Dialog mit Entscheidungsträgern in der Politik erarbeitet er Vorschläge, die eine Kultur der Selbstständigkeit fördern und die Hürden für Unternehmensgründungen senken. Der Startup-Verband wirbt für innovatives Unternehmertum und trägt die Startup-Mentalität in die Gesellschaft. Als Netzwerk verbindet er Gründer, Startups und deren Freunde miteinander.
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